Stiftungsstandort | Expertengespräche

«Liechtenstein bietet Sicherheit»

Herr Dr. Zwiefelhofer, warum sollte man sich den Gründungsort einer Stiftung gut überlegen?

Der Gründungsort definiert in der Regel den Sitz der Gesellschaft. Dieser zieht für die gegründete Stiftung entsprechende Rechtsfolgen nach sich. Der Gründungsort beziehungsweise der Sitz der Gesellschaft sind entsprechend für steuerliche Fragen maßgebend. Daneben schließen sich Schnittstellenfragen zur Verjährung, zum Zivilrecht oder auch zum internationalen Privatrecht an. Das heißt, die meisten Rechtswirkungen knüpfen am Sitz der Stiftung an, weshalb nicht nur der Wohnsitz des Stifters relevant ist, sondern auch der Ort der Gründung gut überlegt sein muss.

Gibt es einen Aspekt, der in dieser Hinsicht besonders heraussticht?

Wer eine Stiftung errichtet, möchte zum Beispiel Vermögensschutz, sprich die sogenannte Asset Protection, eine Nachfolgeplanung oder auch Holding-Funktionen umsetzen. Für manche dieser Ziele sind Verjährungsfristen relevant. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir haben heute in vielen Ländern eine Scheidungsquote von über 50 Prozent. Vor allem wohlhabende Menschen überlegen sich darum vor der zweiten Ehe, wie sie bestimmte vermögensrechtliche Konsequenzen bei einer erneuten Scheidung vermeiden können. Hier kann eine Vermögensstrukturierung helfen, allerdings gilt es bestimmte Fristen zu beachten. Es gibt Stiftungsstandorte mit zehnjähriger Verjährungsfrist. Das heißt, die Anfechtbarkeit einer Schenkung in eine Stiftung oder in eine ähnliche Struktur verjährt erst nach zehn Jahren. An manchen Standorten verjähren solche Ansprüche nach fünf Jahren, an anderen wiederum gar nie. In Liechtenstein liegt diese Verjährungsfrist bei zwei Jahren. Hier tritt also die Wirkung einer Stiftungslösung, zum Beispiel zur Absicherung familiärer Vermögenswerte, bereits nach zwei Jahren ein und kann praktisch nicht mehr angefochten werden. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die Standortwahl bei einer Stiftungslösung ist.

Sie haben Asset Protection bereits angesprochen, hier drängt sich der Gedanke an Unternehmen auf. Welche Rolle spielen Unternehmensstiftungen in Liechtenstein?

Liechtenstein unterscheidet rechtlich nicht zwischen bestimmten privaten Stiftungsformen, zum Beispiel Familien- oder Unternehmensstiftung. Es wird lediglich grundsätzlich zwischen privatnützigen oder gemeinnützigen Stiftungen unterschieden. Außerdem gibt es noch die gemischte Kategorie, die gemein- und privatnützige Zwecke kombiniert. Sobald eine Stiftung überwiegend gemeinnützigen Zwecken dient, steht sie unter staatlicher Aufsicht und muss eingetragen werden, eine Steuerbefreiung gibt es aber nur bei rein gemeinnützigen Stiftungen. In Liechtenstein entsprechen viele privatnützige Stiftungen dem Typus von Unternehmensstiftungen. Das Modell existiert also, es wird nur im Gesetz nicht explizit herausgearbeitet, da die Liechtensteiner Privatstiftung praktisch jede Variation zulässt. Es muss aber beachtet werden, dass die direkte Unternehmensstiftung in Liechtenstein theoretisch nicht möglich ist, da Stiftungen keinen kommerziellen Zweck verfolgen dürfen. Richtig ausgestaltet, lässt sie sich in der Praxis als mittelbare Unternehmensstiftung jedoch sehr wohl realisieren. Dazu muss eine Holdinggesellschaft unterhalb der Stiftung eingebaut werden, die bestimmte Zwecke wie kommerzielle Aktivitäten übernimmt.

Haben Sie eine grobe Größenordnung, wie hoch der Anteil der Unternehmensträger-Stiftungen ist?

Es gibt dazu keine Auswertungen, weil sich Stiftungen im liechtensteinischen Handelsregister nicht als Unternehmens- oder Familienstiftung qualifizieren müssen. Die Charakteristik einer privatnützigen Stiftung wird nicht amtlich erfasst. In Liechtenstein gibt es heute insgesamt etwas weniger als 10.000 Stiftungen, das ist deutlich weniger als noch vor 15 Jahren. Der Anteil der rein gemeinnützigen Stiftungen liegt bei 15 bis 20 Prozent, der Rest hat einen privatnützigen oder gemischten Zweck.

Das heißt, ein Großteil der Stiftungen verfolgt das Ziel der Nachfolgeplanung oder Asset Protection.

Genau, das sind die typischen Anwendungsformen. Nachfolgeplanung und Vermögensschutz aufgrund familiärer Veränderungen oder aufgrund beruflicher Risiken. Es heißt immer so schön, in Amerika hat jeder Zahnarzt einen Trust, weil dort das Haftungsrisiko so hoch ist. Es ist doch auch verständlich, dass jemand mit hohen Haftungsrisiken bestimmte Teile seines Vermögens für den Ehepartner und die Kinder absichern möchte. Asset Protection oder der Zusammenhalt eines Familienunternehmens sind legitime Ziele für private Stiftungen.

Liechtenstein hat knapp 40.000 Einwohner und fast 10.000 Stiftungen. Gibt es neben der Verjährungsfrist noch andere Faktoren, die die Beliebtheit des Standortes erklären?

Ich würde die Verjährungsfrist nicht als zentralen Erfolgsfaktor herausheben, ich habe sie nur als Beispiel für die Rechtswirkung des Standortes erwähnt. Wichtiger sind die Themen Rechtssicherheit und Stabilität. Liechtenstein hat als Standort rund 100 Jahre Erfahrung im privaten Stiftungswesen, und in den vergangenen 15 Jahren hat sich auch die internationale Akzeptanz deutlich gesteigert. Die Steuerthemen wurden angepackt und bereinigt. Heute ist das Land gerade im Bereich des internationalen Informationsaustauschs führend und hat ein Steuersystem, das OECD- und EU-konform ist. Liechtenstein bietet Sicherheit, und Stiftungen sind nicht mehr so umstritten wie früher. Gleichzeitig wissen die Stifter, dass das Stiftungsrecht sehr stabil und auch die jüngsten Reformen des liechtensteinischen Stiftungs- und Steuerrechts um das Jahr 2009 schon eine Weile her sind. Stifter müssen also nicht damit rechnen, dass jede neu gewählte Regierung alles über den Haufen wirft. Diese Stabilität beziehungsweise das konservative Grundmodell ist sicher ein wesentlicher Faktor für Liechtensteins Attraktivität.

Im Zuge dieser Studie haben wir über 300 Stifter und Stiftungsverantwortliche aus der DACH-Region nach den wichtigsten Merkmalen eines Stiftungsstandorts befragt. Auf Platz eins: die eben erwähnte Rechtssicherheit. Ist diese in der DACH-Region nicht ohnehin in der Breite vorhanden?

Die Rechtssicherheit ist in der ganzen Region grundsätzlich hoch, da gebe ich Ihnen recht. Hier lohnt sich aber ein genauer Blick: Nehmen wir das österreichische Privatstiftungsrecht. Das hat sich nach einem Anfangserfolg in den vergangenen fünfzehn Jahren deutlich verschlechtert. Österreichs Politiker und Behörden haben immer wieder nachkorrigiert und neue Regeln eingeführt. Im Schweizer Stiftungsrecht war dagegen lange kaum Bewegung drin. Vor mehreren Jahren wurde dann eine große Stiftungsreform angestoßen. Der Einsatz einer Schweizer Stiftung ist für reine Familiennachfolgeplanung und für private Stiftungszwecke im Zivilgesetzbuch weiterhin nicht vorgesehen. Für den privaten Bereich ist es nach wie vor ein Stiftungsrecht mit Handbremse. Hinzu kommen die kantonalen Steuerverwaltungen mit 26 verschiedenen Systemen, auch hier wurde nicht vereinheitlicht oder vereinfacht. In Deutschland spielen gerade die steuerrechtlichen Unsicherheiten eine große Rolle. Die deutsche Stiftungsrechtsform hat zudem viel höhere Erwartungen geweckt, als in der Praxis dann tatsächlich ankam. Ich glaube, das Liechtensteiner Recht ist deutlich stabiler und das Stiftungsrecht schlank und modern aufgestellt. Letzteres wird vielerorts von ausländischen Stiftungsexperten als Musterbeispiel für eine moderne Foundation Governance herangezogen. Die Nachbarländer haben nicht den Mut, ihr Stiftungsrecht mit entsprechender Privatautonomie auszustatten und als Instrument einer modernen Unternehmensnachfolgeplanung besser aufzustellen.

Jetzt haben Sie uns die Unterschiede in der Rechtssicherheit und deren Relevanz dargelegt. In der Hinsicht ist es noch überraschender, dass für viele der Befragten wohl nur die Nähe zum Wohnsitz des Stifters über den Standort entscheidet. Wie ordnen Sie dieses Ergebnis ein?

Das Ergebnis überrascht mich auch etwas. Hier es ist wichtig, nicht nur den Standort des Stiftungsrats oder der Stiftung in den Blick zu nehmen, sondern auch den der Berater und Dienstleister. Dass Stifter ihren Anwalt oder Steuerberater gerne in der Nähe wissen, ist nachvollziehbar. Dass darüber hinaus auch der Stiftungsrat oder die Stiftung in der Nähe sein soll, würde ich auf eine eher konservative Grundhaltung vieler Stifter zurückführen. Eine Stiftung ist kein Instrument, das ein wöchentliches Update erfordert. Stifter und Stiftungsrat müssen sich nicht regelmäßig treffen. Es geht hier wahrscheinlich mehr um Vertrauensfragen, und vielleicht ist es den Stiftern nicht ganz klar, dass zwischen den Beratern und Stiftungsorganen unterschieden werden muss. Möglicherweise ist hier noch Aufklärungsbedarf notwendig, wie eine Stiftung funktioniert und warum deshalb Nähe nicht so wichtig ist.

Neben der Onlinebefragung führten wir auch Experteninterviews. Die bereits angesprochene Stiftungsrechtsreform in Deutschland wurde dabei intensiv diskutiert. Dazu gehört auch die Einführung des Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung. Gibt es in Liechtenstein etwas Vergleichbares?

Es gibt in Liechtenstein nur das Handelsregister. Im Handelsregister sind die Stiftungen eingetragen oder hinterlegt. Das ist eine Feinheit, aber wichtig zu unterscheiden: Gemeinnützige Stiftungen sind zwingend einzutragen, privatnützige Stiftungen hingegen werden hinterlegt. Informationen zum Stifter oder den Begünstigten werden im Handelsregister nicht erfasst. Ergänzend greifen jedoch das Geldwäschereirecht und das Gesetz über das Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen. Das ist eine europäische Regulierung, die gilt wie in Liechtenstein auch in Österreich und Deutschland. Im Register der wirtschaftlich berechtigten Personen sind die Stifter und Begünstigten je nach Konstellation eingetragen. Hierzu gibt es viele Detailregelungen. Fehlen bei einer Stiftung beispielsweise konkret bestimmte Begünstigte, d.h. die Stiftung ist also eine sogenannte Ermessensstiftung, so wird der Stiftungsrat stattdessen als wirtschaftlicher Eigentümer eingetragen.

Hat die Öffentlichkeit Zugriff auf diese Informationen?

Die Rechtsfrage, inwiefern der Öffentlichkeit voller Zugang zum Register der wirtschaftlichen Eigentümer gewährt werden darf, wurde gerade kürzlich durch den europäischen Gerichtshof in Luxemburg geklärt. Der freie öffentliche Zugriff auf das Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen oder Eigentümer ist gemäß EUGH ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Privatsphäre und Datenschutz. In Liechtenstein wurden die EU-Vorgaben von Beginn an so umgesetzt, dass diese Grundrechte respektiert werden. Wer Einsicht in das Register nehmen will, muss ein berechtigtes Interesse nachweisen. Diese Güterabwägung zwischen Transparenz sowie Datenschutz und Privatsphäre, ist in Liechtenstein ausgewogen und gut gelungen. Manche EU-Staaten haben sich dagegen sehr weit in Richtung Öffentlichkeitsprinzip gewagt. Der europäische Gerichtshof hat hier eine klare Grenze gezogen, und diese Länder müssen ihre Gesetze zugunsten Datenschutz und Schutz der Privatsphäre anpassen. Es geht hier wohlgemerkt nicht um Steuern, sondern vor allem um den Grundsatz, dass beispielsweise Familienangelegenheiten nur öffentlich zugänglich sein dürfen, wenn es ein öffentliches Interesse gibt. Das kann bei zivilrechtlichen Forderungen, Schadenersatz oder Haftungsfragen der Fall sein. Hier wird auch in Liechtenstein der Privatsphärenschutz aufgehoben. Aber es kann nicht jeder einfach nachschauen, ob und wo der Nachbar eine Stiftung hat.

Der besondere Schutz der Privatsphäre ist also ein Spezifikum. Eine weitere Besonderheit ist der Aufwand bei der Stiftungserrichtung, der laut eines Experten gering ist. Warum ist das so?

Die Stiftungsaufsichtsbehörde spielt in Liechtenstein bei der Gründung von privatnützigen Stiftungen keine Rolle. Die Privatautonomie wird respektiert. Stifter und Beteiligte können ohne Einflussnahme der Behörden die Stiftungsgründung vollziehen. Erst am Ende der Errichtung, wenn die Eintragung oder die Hinterlegung beim Handelsregister erfolgt, werden bestimmte Aspekte geprüft. Die Fehlerquote ist jedoch gering, da in Liechtenstein keine Stiftung ohne liechtensteinischen Stiftungsrat errichtet werden kann. Dadurch ist immer ein Experte für das liechtensteinische Stiftungsrecht involviert.

Sie sprechen hier mit der sogenannten Person nach 180a-Gesetz eine weitere liechtensteinische Besonderheit an. Ohne sie kann keine Stiftung errichtet werden. Mit welchen Kosten müssen Stifter rechnen?

Generelle Aussagen zu den Kosten zu machen, ist schwierig. Ich würde schätzen, eine Stiftungserrichtung kostet in Liechtenstein circa 10.000 Euro. Im laufenden Betrieb ist die Spannbreite sicher größer und abhängig von der Höhe der Vermögenswerte und der Komplexität der Struktur. Es gibt gemischte Modelle mit Fixum als Stiftungsratshonorar und über Stundensatz abgerechneten Beratungsleistungen. Der Trend geht allerdings eher in Richtung Pauschalhonorar für alle Aspekte. Da landen Sie dann wahrscheinlich deutlich über 10.000 Euro. Bei einem substanziellen Vermögen und fixem Stiftungsratshonorar müssen Sie sicher zwischen 10.000 und 20.000 Euro einplanen. Bei der gemischten Variante mit Fixum und variablem Beratungsanteil dürfte das Stiftungsratshonorar zwischen 5.000 und 10.000 Euro liegen. Beratungsleistungen auf Stundenbasis können teuer werden. Wenn Sie einen Stifter oder eine Familie haben, die jede Woche anruft und Fragen hat, kostet das im Jahr dann eben schnell einmal mehr als 50.000 Euro. Das ist bei Rechtsanwälten auch nicht anders.

Gibt es weitere Vorgaben beziehungsweise Einschränkungen bei der Organbesetzung?

Die Stiftung benötigt bei der Gründung mindestens zwei Stiftungsräte, wobei im Organ eben mindestens ein liechtensteinischer Stiftungsrat mit 180a-Bewilligung sein muss. Abgesehen davon kann der Stiftungsrat mehrheitlich aus Ausländern bestehen, was aber steuerliche oder zivilrechtliche Anknüpfungspunkte generieren kann. Der Stifter kann den Stiftungsrat relativ frei zusammensetzen, da gibt es fast keine Restriktionen. Ein weiteres Spezifikum in dieser Hinsicht, welches vor allem gemeinnützige Stiftungen betrifft: Ausschüttungen können ohne Einschränkungen international getätigt werden. Es gibt keine Vorschriften, wonach eine bestimmte Mindestgröße an Ausschüttungen in Liechtenstein passieren muss. Auch hier ist die Privatautonomie prioritär und das Regime sehr liberal. Gerade bei gemeinnützigen Stiftungen ist es wichtig, dass es keine Liechtensteiner Quote gibt.

Für gemeinnützige Stiftungen werden auch Nachhaltigkeit und nachhaltige Anlageformen immer wichtiger. Unsere Befragten stufen diesen Aspekt als wichtiges Standortmerkmal ein. Wie ist Liechtenstein hier aufgestellt?

Mein Eindruck ist, dass es hierbei weniger um den Stiftungsstandort, sondern eher um den Finanzplatz geht. Das Thema beschäftigt den gesamten Finanzplatz. Alle entscheidenden Akteure, also Banken, Vermögensverwalter und Stiftungsräte, sind hier aktiv. Als Mitglied im europäischen Wirtschaftsraum ist Liechtenstein der EU-Regulierung unterworfen und setzt die Vorgaben auch zügig um. Viele unterschätzen in dieser Hinsicht möglicherweise auch das sehr liberale Stiftungsrecht. Nachhaltigkeitsaspekte lassen sich in den Stiftungsdokumenten verankern, ohne durch den Gesetzgeber vor Probleme gestellt zu werden. Das gilt auch für nachhaltige Anlagevorgaben. Diese muss der Stiftungsrat dann mit den Vermögensverwaltern umsetzen. Hier bietet Liechtenstein wahrscheinlich viel mehr Flexibilität als andere Standorte.

Bleiben wir beim Thema Geld: Für ein Drittel der Befragten ist das Preisniveau ein entscheidendes Merkmal bei der Standortwahl. In Liechtenstein liegen die Gehälter im europäischen Vergleich höher. Das ist ein Nachteil.

Wird eine Stiftung errichtet, sind die Verwaltungskosten im Verhältnis zur Wichtigkeit stabiler und zuverlässiger Strukturen wahrscheinlich eher marginal. Wer sich entscheidet zu stiften, sollte sich zuallererst um die Qualität sorgen. Ob eine Stiftungsverwaltung 10.000 oder 30.000 Euro im Jahr kostet, kann nicht das zentrale Kriterium für eine so wichtige Entscheidung sein. Wenn ein Vermögen in eine Stiftung übertragen wird, ist die Stiftung der Eigentümer dieser Vermögenswerte. Dass Stifter die Kosten im Blick behalten, kann ich verstehen. Ob aber die Kosten der Vermögensverwaltung 0,8 oder 1 Prozent ausmachen, ist bei einem substanziellen Stiftungsvermögen meines Erachtens nicht die wesentliche Frage. Der Stiftungsrat trägt die Verantwortung für die Vermögensverwaltung, die Buchführung und korrekte Beschlüsse, er stellt damit die Funktion des gesamten Rechtsträgers sicher. Wer hier bei der Qualität spart, der spart auch bei der Sicherheit. Privates Vermögen sollte nicht leichtfertig in die Hände eines Dritten gegeben werden. Darum heißt das ganze Geschäft auch Trust, Vertrauen.

Blickt man auf die Verwaltung großer Vermögen, stellt sich unweigerlich die Steuerfrage. Hier wurden wir von den Befragungsergebnissen überrascht: Nur ein Drittel der Befragten stuft das Steuerrecht als wichtige rechtliche Rahmenbedingung ein. Hätten Sie hier mit stärkerem Interesse gerechnet?

Die kurze Antwort ist: ja. Andererseits kann bei Personen, die sich nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigen, durch die mediale Berichterstattung der Eindruck entstehen, Steuerrechtsfragen seien in ganz Mitteleuropa inzwischen ähnlich geregelt. Das ist nicht der Fall. Gerade wenn es um Vermögensbesteuerung oder um private Steueraspekte geht, gibt es viele Feinheiten und Unterschiede. Hier lassen sich viele Fehler, aber auch viele gute Dinge machen. Es geht dabei wohlgemerkt nicht um Steuervermeidung, und um Steuerhinterziehung schon gar nicht mehr. Dieses Thema ist vorbei. Es geht darum, die Steuersysteme intelligent und in Absprache mit den Steuerbehörden zu nutzen. Wer heute seriös eine Stiftung errichtet, geht mit seinem Steuerberater zur zuständigen Steuerbehörde. Dort legt er das Vorhaben offen und lässt sich bestätigen, dass es funktioniert. Alles andere, gerade bei großen Unternehmen beziehungsweise Vermögenswerten, wäre unseriös. Die Zusammenarbeit mit den Behörden ist eine Grundvoraussetzung, gleichwohl in dieser Hinsicht zwischen den Ländern noch deutliche Unterschiede existieren.

Begegnen Ihnen noch Fehlannahmen oder bestimmte Vorstellungen im Hinblick auf das Thema Steuern in Liechtenstein?

Es gibt diese Anspielungen auf die Vergangenheit immer noch. Das ist ein Erbe, zu dem Liechtenstein stehen muss. Man muss dann aber auch immer wieder klarstellen und betonen, das ist Vergangenheit. Liechtenstein hat sich geändert und ist ein sogenannter „early adopter“ bei der internationalen Steuerkooperation. Das führt auch dazu, dass das Land als Partner für Steuerfragen in der internationalen Gemeinschaft anerkannt ist und mittlerweile ein großes Netz von Doppelbesteuerungsabkommen existiert, unter anderem auch mit Deutschland. Aktuell wird gerade der OECD Pillar 2, also die neuen Regeln zur globalen Konzernbesteuerung, umgesetzt. Die Schweiz hat dazu eine Volksabstimmung durchgeführt, in Liechtenstein war das Projekt unumstritten.

Es existiert zwar ein Netz an Doppelbesteuerungsabkommen, im Vergleich zu anderen Staaten ist es jedoch kleiner. Wie wirkt sich dieser Nachteil auf das Stiftungswesen aus?

Bei größeren Strukturen, wenn größere Familienvermögen oder international tätige Unternehmen involviert sind, kann sich das unter Umständen nachteilig auswirken. Gerade wenn multinationale Unternehmen eingebracht werden, könnte es sich bei von der Stiftung gehaltenen Gesellschaften steuerrechtlich nachteilig auswirken. Ich denke aber, dass dies in der Regel über eine Hilfskonstruktion in Ländern mit Zugang zu diesen Steuerabkommen gelöst werden kann. Aus der Praxis heraus kann ich sagen, dass die Verteilung der Kundenstruktur zwar sehr international ist, aber der Schwerpunkt auf europäischen Stiftern aus dem deutschsprachigen Raum liegt. Mit diesen Ländern gibt es denn auch gute Doppelbesteuerungsabkommen.

Problematisch wäre es also eher mit Stiftern aus sehr exotischen Ländern. Es gibt aber auch europäische Länder, mit denen dazu seit längerem verhandelt wird beziehungsweise wurde, zum Beispiel Spanien, Portugal und Italien. Aber auch hier ist Bewegung drin: Das Doppelbesteuerungsabkommen mit Italien wurde im Juli 2023 unterzeichnet. Die häufigen italienischen Regierungswechsel haben die Einigung lange verkompliziert. Mit Spanien gibt es gute Fortschritte. Liechtenstein war dort bis vor Kurzem auf einer grauen Liste wegen Steuerthemen. Inzwischen hat Spanien Liechtenstein als steuerlich kompatibles und international zuverlässiges Land anerkannt. Ein Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA fehlt ebenfalls, was angesichts des großen Marktes schade ist. Liechtenstein erfüllt auch alle steuerlichen Voraussetzungen und OECD-Standards, ist aber als Exportmarkt praktisch irrelevant, und die USA schließen nur mit großen Handelspartnern Doppelbesteuerungsabkommen.

Sie haben mehrfach betont, wie liberal und privatautonom das Stiftungsrecht aufgestellt ist. Gilt das auch für das Stifterrecht?

Ja, auch das Stifterrecht ist sehr liberal. Der Stifterwille kann sehr frei umgesetzt werden. Sie können zudem die Stiftung widerruflich ausgestalten. Der Stifter kann sich also das Recht einräumen, die Stiftung zu widerrufen. Allerdings muss dieses Widerrufsrecht in den Stiftungsstatuten explizit festgehalten sein. Auch Zweckänderungsrechte sind möglich. Sie können diese Rechte aber auch anderen Organen einräumen, zum Beispiel einem Protektor oder einem Beirat. Allerdings haben die Gerichte hier eine gewisse Rechtspraxis entwickelt und es müssen bestimmte Regeln eingehalten werden. Der Zweck kann nicht völlig frei verändert werden, sondern muss weiterhin dem Stifterwillen entsprechen. Dennoch ist das Stifterrecht im Vergleich zu allen Nachbarländern deutlich flexibler.

Ein großes Aber gilt hier jedoch für das Steuerrecht und die Durchgriffsfragen bei der Asset Protection. Asset Protection funktioniert nur, wenn bewiesen werden kann, dass der Stifter über das Stiftungsvermögen keinen maßgeblich beherrschenden Einfluss mehr hat. Ist das nicht der Fall, wird durchgegriffen. Man kann dies mit dem Konzept des sogenannten Sham Trust im Common-Law-Bereich vergleichen. Behält der Stifter die totale Kontrolle über die Stiftung durch Zweckänderungs- und Widerrufsrechte, behauptet aber gleichzeitig in einem zivilrechtlichen Verfahren, er habe sich vollständig vom Stiftungsvermögen getrennt, wird er keine Chance auf Erfolg haben. Ausgeprägte Stifterrechte haben sowohl steuerliche als auch zivilrechtliche Konsequenzen.

Wie häufig werden diese Rechte festgehalten?

Das kann ich nur für die Praxis unseres Unternehmens beurteilen. Ein Widerrufsrecht ist eher selten. Auf die Konsequenzen von exzessiven Stifterrechten hinzuweisen, ist eben auch die Aufgabe des 180a-Vertreters oder des beratenden Treuhänders. Seriöse Beratung heißt, den Stiftern zu vermitteln, was ein Widerrufsrecht oder ein Zweckänderungsrecht an Schutzverlust oder an steuerlichen Nachteilen herbeiführt. Wird dies richtig erklärt, sehen die meisten Stifter von einem Widerrufsrecht oder anderen Kontrollrechten ab.

Das hängt auch mit der Anerkennung der Vermögenstrennung in anderen Jurisdiktionen zusammen?

Genau. Stifter schaffen mit einem Widerrufsrecht steuerliche Anknüpfungspunkte, bei denen die Steuerbehörden genau hinschauen und letztlich die Stiftung wahrscheinlich dem Stifter weiterhin voll zurechnen. Starke Kontrollrechte zerstören zudem auch zivilrechtliche Schranken oder Haftungsschutzmechanismen. Da nützt dann auch die zweijährige Verjährungsfrist nichts, denn ein Widerrufsrecht verjährt nie. Diese permanente Möglichkeit, die Stiftung beziehungsweise die Vermögenswerte in den eigenen Einflussbereich zurückzuholen, wird ein Gläubiger umgehend nutzen. Berechtigterweise heißt es dann, dass der Stifter diese Vermögenswerte zurückholen könne und dieses Widerrufsrecht wahrgenommen werden muss, damit ein Gläubiger seine berechtigten Forderungen befriedigen kann. Für Stifter, die Asset Protection erreichen wollen, sind Widerrufsrechte und weitere Einflussrechte absolut schädlich.

Das Interview führten Stefan Dworschak und Thilo Kampffmeyer.

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