Mit klarem Plan in die Zukunft
Die NZZ wirft einen Blick auf Land und Finanzplatz Liechtenstein und führt dazu ein Interview mit Simon Tribelhorn.
Am 1. Januar 2020 war es soweit: Unter dem Titel «Gesetz über Token und VT-Dienstleister» (VT steht dabei für «auf vertrauenswürdigen Technologien beruhende Transaktionssysteme) trat das erste Blockchain-Gesetze weltweit in Kraft – und zwar nicht in den Krypto-Hochburgen USA, Grossbritannien oder der Schweiz, sondern in Liechtenstein.
Eineinhalb Jahre vor der Eidgenossenschaft setzte das Fürstentum damit einen Meilenstein für die Entwicklung der Token-Ökonomie. Nicht ganz ohne eigene Interessen, schliesslich sieht der Kleinstaat in der Blockchain-Technologie einen wichtigen Innovationstreiber für den Finanzmarkt.
Das Blockchain-Gesetz ist beispielhaft für die Entwicklung und die Veränderung, die der Finanzplatz Liechtenstein in den vergangenen Jahrzehnten durchgemacht hat. Dank einem Fokus auf Qualität, hohe Innovationskraft verbunden mit Tradition, Vertrauen und Nachhaltigkeit hebt sich der Finanzplatz im Fürstentum von seinen Konkurrenten ab – und ist damit erfolgreich.
Tatsächlich verfügt Liechtenstein über einen Finanzplatz, der sich im internationalen Vergleich sehen lassen kann: global vernetzt und gleichzeitig regional verankert, auf Sicherheit bedacht und mit einem breiten und angesehenen Angebot an Finanzdienstleistungen, bietet das Fürstentum seiner internationalen Kundschaft zahlreiche Argumente für ein Engagement in Liechtenstein. Als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und traditionell in engen und nachbarschaftlichen Wirtschaftsbeziehungen durch den Zollvertrag und die Währungsunion mit der Schweiz, verfügt Liechtenstein über ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Man ist sowohl im europäischen als auch schweizerischen Wirtschafts- und Finanzplatz zu Hause – und erfüllt damit sowohl die Schweizer Regulierungen als auch die europäischen Standards, beispielsweise bezüglich Transparenz und Compliance. Einen zusätzlichen Anreiz für die Finanzkundschaft bieten die rechtliche und soziale Stabilität im Fürstentum sowie die nach wie vor attraktiven steuerliche Regelungen wie beispielweise bei Fonds, wo Liechtenstein das einzige Domizil in Europa ist, dessen Fonds den EU-Passport nutzen können und gleichzeitig in der Schweiz das Stempelsteuer-Privileg geniessen
Starker Zuwachs an Kundenvermögen
Bei der Zielgruppe scheinen diese Argumente, zusammen mit dem breiten Angebot an innovativen Finanzdienstleistungen, jedenfalls gut anzukommen. Dies zeigt sich beispielsweise bei den verwalteten Kundenvermögen der zwölf liechtensteinischen Banken inklusive ihrer ausländischen Gruppengesellschaften, die in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich zunahmen. Alleine 2021 konnte bei den verwalteten Kundenvermögen ein Plus von stolzen 16,1 Prozent auf 424,4 Milliarden Franken erzielt werden. «Die Banken profitierten dabei einerseits von der positiven Marktentwicklung, andererseits aber auch von starken Netto-Neugeldzuflüssen in der Höhe von 37,5 Milliarden Franken», schreibt die Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA) in ihrem aktuellen Marktreport.
Genauso erfreulich wie bei den Banken fällt auch die Entwicklung bei den Vermögensverwaltern und den Assekuranzen aus. Der Sektor der unabhängigen Asset Manager zählte Ende 2021 98 Gesellschaften. Diese verwalteten 59,4 Milliarden Franken an Kundenvermögen, 12 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Die Versicherungsunternehmen wiederum – es sind 16 Lebens-, 14 Schaden- und drei Rückversicherer in Liechtenstein ansässig – konnten die gebuchten Bruttoprämien von 5,54 Milliarden Franken auf 5,61 Milliarden verbessern und somit um ebenfalls um 12 Prozent erhöhen. Gar um 19 Prozent nahm 2021 schliesslich das Fondsvolumen zu und notierte zuletzt bei 70,3 Milliarden Franken.
Nachhaltigkeit mit vielen Facetten
Zusätzliches Wachstum verspricht sich das Fürstentum von einem weiteren Ausbau der Vermögensverwaltung und einer entschlossenen Ausrichtung des gesamten Finanzplatzes auf das Thema der Nachhaltigkeit (siehe auch Interview). Dabei steht Nachhaltigkeit hier nicht nur für Ökologie oder Klimawandel. Entscheidende Aspekte sind darüber hinaus Authentizität, Verlässlichkeit und Langfristigkeit. So setzen die Banken im Rahmen der vor einem Jahr lancierten Mehrjahresstrategie, der «Roadmap 2025», insbesondere im Kerngeschäft der internationalen Vermögensverwaltung auf langfristiges Wachstum. Das Ziel des Bankenplatzes ist es, im internationalen Wettbewerb unter den Finanzplätzen vorne mitzumischen. Doch der Anspruch an sich selber geht noch weiter: Mit Hilfe von Innovationen soll der Finanzplatz Liechtenstein einen wertvollen Beitrag zur nötigen Transformation der globalen Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Gleichzeitig will man mit nachhaltigen Angeboten und Anlagen einen Mehrwert für die Kundschaft generieren.
Die Chancen der Nachhaltigkeit
Dabei ist Nachhaltigkeit für das Fürstentum kein neuer Trend, der erst mit der Klimajugend zu Tage gefördert wurde. Das Thema ist für das Land und seinen Finanzplatz seit langem ein wichtiges Anliegen und umfasst in Liechtenstein sämtliche Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Dies unterstreichen auch die führende Stellung der Fürstenbank LGT in diesem Bereich oder die 2018 lancierte «Liechtenstein Initiative» gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei (heute FAST-Initiative). Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist «Waterfootprint Liechtenstein», dessen Ziel es ist, für jeden der rund 39’000 Einwohner Liechtensteins einem Menschen den Zugang zu qualitativ gutem Wasser zu verschaffen.
Alles in allem bieten sich dem Fürstentum zahlreiche Chancen, um seinen Finanzplatz in Zukunft weiter zu stärken und im globalen Wettbewerb der Finanzzentren eine Spitzenposition einzunehmen – dank Stabilität, Qualität, Innovation und einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit.
Interview mit Simon Tribelhorn
Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverband und Mitglied des Vorstandes von Liechtenstein Finance.
NZZ: Mit der Roadmap 2025 hat der Bankenplatz Liechtenstein eine neue Mehrjahresstrategie entwickelt. Sie steht unter dem Motto «Wachstum durch Nachhaltigkeit und Innovation». Wie soll dieses Wachstum genau erreicht werden?
Simon Tribelhorn: Der Klimawandel findet heute und nicht in einer fernen Zukunft statt. Er ist das dominierende Thema der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Wollen wir in diesem Kampf erfolgreich sein, braucht es ein Umdenken auf verschiedensten Ebenen. Das Land Liechtenstein und sein Finanzplatz haben sich deshalb zum Ziel gesetzt, an der notwendigen Transformation der globalen Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit mitzuwirken. Liechtensteins Definition von Nachhaltigkeit geht aber über den Klimawandel hinaus. Sie ist umfassend und zusammen mit der zunehmenden Digitalisierung ein wesentlicher Veränderungstreiber im Banking von Morgen. Unseren heutigen und noch mehr unseren zukünftigen Kunden bieten wir deshalb mehr als nur unsere bekannten, qualitativ hochwertigen Dienstleistungen an. Wir wollen, wie unsere Kunden, eine Lösung für die ökologischen oder gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit leisten. Wachstum erzielen wir dadurch, dass wir laufend Lösungen und Dienstleistungen entwickeln, die dieser Ambition entsprechen.
NZZ: Wichtige Faktoren der Nachhaltigkeit am Finanzplatz Liechtenstein sind Authentizität, Verlässlichkeit, Langfristigkeit. Was ist daran besonders nachhaltig?
Simon Tribelhorn: Nachhaltigkeit ist schon sehr lange ein Thema an vielen Konferenzen der Wirtschaft oder der Politik. Entscheidend wird es aber sein, ob den Worten auch Taten folgen. Nachhaltigkeit ist eine Einstellungsfrage, eine Frage der Haltung und Wertvorstellung. Sie ist damit Ausdruck davon, welche Werte jemandem wichtig sind. Für Unternehmen bedeutet dies, dass Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur und auf strategischer Ebene verankert sein muss. Nachhaltigkeit funktioniert gleichzeitig nur, wenn sie glaubwürdig und verlässlich vorgelebt wird sowie langfristig angelegt ist. Nachhaltig ist also – wie wir es ausdrücken – generationenübergreifend.
NZZ: Tatsächlich zählen einzelne Finanzinstitute in Liechtenstein zu den Vorreitern im Bereich Nachhaltigkeit. Wie gelingt es, sämtliche Player eine Finanzplatzes für das Thema Nachhaltigkeit zu begeistern?
Simon Tribelhorn: Es braucht naturgemäss immer einen Vorreiter, der das Thema frühzeitig erkennt, erfolgreich in seine Strategie aufnimmt und somit eine Vorbildfunktion einnimmt. In Liechtenstein war dies zweifellos die grösste Bank, die LGT Gruppe. Der Erfolg der letzten Jahre zeigt, dass sich das auch in guten Geschäftszahlen niedergeschlagen hat. Und in aller Bescheidenheit dürfen wir vom Verband auch in Anspruch nehmen, schon lange die Bedeutung von Nachhaltigkeit erkannt zu haben. Diese beiden Faktoren haben einen Beitrag dazu geleistet, dass Liechtenstein frühzeitig eine glaubwürdige Strategie als nachhaltiger Finanzplatz vertreten konnte.
NZZ: Welche Wirkung zeigen Initiativen wie «Waterfootprint Liechtenstein» oder die «Liechtenstein Initiative» in der realen Welt? Kann der relativ kleine Finanzplatz Liechtenstein mit solchen Initiativen oder nachhaltigen Anlagen wirklich etwas bewirken?
Simon Tribelhorn: Ich sage immer Nachhaltigkeit geht alle an. Den Klimawandel können wir z.B. nicht aufhalten, wenn nicht jeder einzelne seinen oder ihren Beitrag leistet. Aus diesem Grund spielt es am Ende auch keine Rolle, ob ein Land gross oder klein ist. Im Gegenteil kann gerade auch ein kleines Land wie Liechtenstein einen wichtigen Beitrag leisten und Leadership übernehmen. Die erwähnten Initiativen zeigen auch beispielhaft auf, wie umfassend unsere Definition von Nachhaltigkeit ist.
NZZ: Wann wird der Finanzplatz Liechtenstein komplett nachhaltig sein?
Simon Tribelhorn: Das wird noch etwas andauern. Wichtig ist aber nicht der Endzeitpunkt, sondern die auf dem Weg dorthin laufend erzielten Fortschritte. Und da haben wir bereits einiges erreicht. So haben sich beispielsweise die drei grossen Banken, die immerhin mehr als 85 Prozent der gesamten Assets unter Management auf sich vereinen, im vergangenen Jahr zum Netto Null-Ziel verpflichtet und sind der Net-Zero Banking Alliance der UNO beigetreten. Diese Mitgliedschaft zeigt das Bekenntnis des liechtensteinischen Bankenplatzes zu einer klimapositiven Zukunft. Sie ist auch gegen aussen ein klares Zeichen, dass wir handeln wollen und uns nicht scheuen, auch überprüfbare Ziele zu setzten.