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Liechtenstein hat den unseriösen Ruf hinter sich gelassen

Es ist die Kombination aus politischer Stabilität und den zwei Marktzugängen, die Liechtenstein als Finanzstandort abhebt.

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Interview von Susanne Bickel, DIE PRESSE, mit Simon Tribelhorn Geschäftsführer Liechtensteinischer Bankenverband

DIE PRESSE: Liechtenstein steht in direktem Wettbewerb mit Finanzstandorten wie Luxemburg, Malta oder Andorra. Was hebt den Bankenplatz Liechtenstein ab?
Simon Tribelhorn: Es ist die Kombination aus politischer Stabilität und den zwei Marktzugängen, die wir bieten. Neben dem EU-Zugang, den Malta zwar auch hat, punkten wir zusätzlich mit dem Marktzugang zur Schweiz – dank Zoll- und Währungsvertrag. Die Verbindung zu zwei derart bedeutenden Wirtschaftsräumen ist ein Alleinstellungsmerkmal. Gleichzeitig spielt die Stärke des Schweizer Franken eine wichtige Rolle.

DIE PRESSE: Wie wichtig ist dabei die Fokussierung auf Nischen wie Vermögensverwaltung und Family Offices?
Simon Tribelhorn:
Vermögensverwaltung ist seit je her das Kerngeschäft der Liechtensteiner Banken. Wir betreiben kein Investmentbanking, die Geschäftsmodelle sind risikoavers. Diese Ausrichtung ist ein wesentlicher Faktor für die Stabilität unseres Bankenplatzes. Ich bin davon überzeugt, dass ein solides Geschäftsmodell das Wichtigste ist. Rückblickend zeigen die Probleme einzelner Institute, dass diese oft auf ein nicht tragfähiges Geschäftsmodell zurückzuführen waren.

DIE PRESSE: Es gibt kein Investmentbanking in Liechtenstein. Warum diese radikale Entscheidung?
Simon Tribelhorn:
Jede Bank – bis auf eine – die hier tätig ist, hat eine Universalbanklizenz und könnte es anbieten. Jede Bank entscheidet selbst, ob sie in dem Bereich tätig sein will.

DIE PRESSE: Der Bankenverband wird sich in dem Fall doch auch positionieren?
Simon Tribelhorn:
Die Kernkompetenz haben wir im Bereich Private Banking und Asset Management aufgebaut. Wir positionieren uns zudem in anderen Bereichen, zum Beispiel ist der Bankenplatz derzeit sehr innovativ im Bereich Blockchain-Dienstleistungen. Aufgrund des neuen Blockchain-Gesetzes erleben wir ein grosses Interesse an Liechtenstein als Standort von neuen Marktteilnehmern.

DIE PRESSE: Welche Firmen spricht das an?
Simon Tribelhorn:
Nur wenige Unternehmen kommen nach Liechtenstein, um den lokalen Markt zu bedienen – dafür ist er schlichtweg zu klein. Vielmehr nutzen die meisten Liechtenstein als strategischen Hub, um Zugang zum europäischen Markt zu erhalten. Besonders sehen wir Interesse von Instituten und Gründern aus Drittländern wie der Schweiz oder auch den USA.

DIE PRESSE: Liechtenstein ist seit einigen Jahren in finanziellen Angelegenheiten transparenter als die Jahrzehnte zuvor. Warum hat sich der Finanzplatz so gewandelt?
Simon Tribelhorn:
Liechtenstein hat in den vergangenen 20 Jahren eine massive Entwicklung durchlaufen, beispielsweise mit dem Bekenntnis zu den OECD-Standards wir dem automatischen Informationsaustausch. Ohne die Einhaltung internationaler Standards ist es heute kaum möglich, seriös und langfristig zu agieren. Daher ist die Konformität mit diesen Vorgaben ein absolutes Muss. Wir positionieren uns klar gegen Kunden, die nach Finanzplätzen suchen, die solche Standards nicht einhalten. Liechtenstein hat den unseriösen Ruf hinter sich gelassen.

DIE PRESSE: Die Schweiz hadert mit ihren Beziehungen zur EU. Wie beeinflusst das Liechtenstein, das über den EWR enge Beziehungen zur EU pflegt?
Simon Tribelhorn:
Die Situation hat zwei wesentliche Aspekte: Zum einen nutzen wir die Schweizer Finanzmarktinfrastruktur, wie etwa die Börse und die Zahlungsabwicklung. Da die Schweiz nicht verpflichtet ist, europäische Standards einzuhalten, gelten für die Schweizer Finanzmarktinfrastruktur teilweise andere Regulierungen oder wird nicht in gleicher Weise anerkannt, da die Schweiz als Drittstaat gilt. Zum anderen ist Liechtenstein verpflichtet, die EU-Regulierung einzuhalten. Dadurch entsteht für Liechtenstein eine Art Spagat, der nicht immer einfach ist.

DIE PRESSE: Was ist ein Beispiel dafür?
Simon Tribelhorn:
Unser Zahlungsverkehr und unsere Wertpapierdienstleistungen werden über die Schweiz abgewickelt. Für die Wertpapierabwicklung nutzen wir die SIX SIS, für den Zahlungsverkehr das Swiss Interbank Clearing (SIC). Da die Schweiz nicht Teil des Europäischen Wirtschaftsraums ist, gelten Zahlungen über dieses System als aussereuropäischer Zahlungsverkehr. Das führt dazu, dass mehr Informationen (über den Auftraggeber) mit den Zahlungen übermittelt werden müssen als bei innereuropäischen Transaktionen. Die Schweizer Zahlungssysteme bilden diese Anforderungen nicht in allen Details ab. Dies hat in der Praxis zu Diskussionen und Schwierigkeiten geführt, die schlussendlich jedoch gelöst werden konnten.

DIE PRESSE: Ein Zusammenschluss mit Österreich und Deutschland ist wohl aufgrund der Währung nicht möglich.
Simon Tribelhorn:
Eine eigene Währung einzuführen, würde bedeuten, auch eine eigene Nationalbank und ein eigenes Zahlungssystem zu etablieren. Den Euro zu übernehmen, würde wiederum andere Konsequenzen mit sich bringen. Für ein kleines Land wie Liechtenstein bleibt die derzeitige Lösung in Zusammenarbeit mit der Schweiz die beste Option. Das bietet uns viele Vorteile, allerdings nicht ohne Kosten. Ein bedeutender Vorteil ist jedoch, dass die Schweiz nicht Teil des Europäischen Wirtschaftsraums ist – und das stellt für uns ein klares Unterscheidungsmerkmal dar. Für viele Schweizer Unternehmen war und ist Liechtenstein interessant, um über eine Tochtergesellschaft in Liechtenstein den Marktzugang zu erschliessen.

DIE PRESSE: Welche Märkte sind für die Liechtensteiner Banken relevant?
Simon Tribelhorn:
Aufgrund der EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins und des Passportings können alle Banken ihre Dienstleistungen ungehindert an Kunden in ganz Europa anbieten. Ähnliches gilt für die Schweiz. Über alle Finanzinstitute hinweg sind die Kernmärkte nach wie vor aber die deutschsprachigen Märkte. Es gibt vereinzelte Institute wie gerade die LGT, die international unterwegs sind.  Das Institut ist beispielsweise schon seit mehr als 20 Jahren in Singapur tätig.

DIE PRESSE: Im vergangenen Jahr wurde in der Schweiz die Credit Suisse von der UBS übernommen, die italienische UniCredit will die deutsche Commerzbank aufkaufen. Braucht Europa diese Grossbanken?
Simon Tribelhorn:
Ich bin davon überzeugt, dass es beides braucht – kleine wie grosse Bankinstitute. Der KMU-Sektor ist in Europa herkömmlich sehr ausgeprägt und trägt wesentlich zur Wertschöpfung bei. Auf diese kleineren Institute können wir nicht verzichten, da diese in der Regel sehr viele Innovationen hervorbringen. Andererseits ist es für kleine Institute extrem schwierig geworden, die Regulierung umzusetzen. Das ist für Grossbanken naturgemäss einfacher.

DIE PRESSE: Ist die Finanzbranche überreguliert?
Simon Tribelhorn:
Ja, das sehen wir besonders im Bereich der Nachhaltigkeitsregulierung und dem EU-Bankenpaket. In beiden Fällen vermissen wir proportionale und risikoorientie Regeln. Aber auch Grossbanken kämpfen mit dem dadurch verursachten Aufwand. So braucht etwa die Deutsche Bank rund 100 Mitarbeitende, um alleine das Nachhaltigkeitsreporting umzusetzen. Nachhaltigkeit ist zweifellos wichtig und der richtige Weg, aber wir haben in Europa den Fokus verloren; dieser liegt aktuell ganz klar auf der Regulierung und nicht mehr auf dem, was wir eigentlich bewirken wollen, nämlich mehr Geld in nachhaltige Projekte zu lenken.

DIE PRESSE: Im krassen Gegensatz dazu steht, dass der künftige Präsident Donald Trump die Bankenaufsicht in den USA verschlanken will. Ist das der richtige Schritt?
Simon Tribelhorn:
Nein. In den USA wurde BASEL III nie umgesetzt und so wie aussieht, wird das auch nicht mehr passieren. In Europa dagegen setzen wir die BASEL-III-Vorgaben auf das Genauste um – teilweise gehen wir sogar darüber hinaus. Das verringert die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Klar ist es wichtig, keine Abstriche bei der Stabilität zu machen und hier einen klaren gesetzlichen Rahmen zu haben. Zu viel Regulierung verhindert aber Innovation. In den USA wird das Unternehmertum gefördert, bei uns wird es gehemmt. Ersteres müssen wir in Europa wieder lernen.

DIE PRESSE: Sie stehen in regelmässigem Austausch mit anderen europäischen Bankenverbänden. Für wie realistisch halten Sie die Option, dass eine solche Deregulierung in der Finanzbranche stattfindet?
Simon Tribelhorn:
Wir haben aufgrund des Draghi-Reports und mit  dem neuen EU-Parlament und der neuen Kommission grosse Hoffnung darauf. Wir haben lange gehofft, dass Magnus Brunner zuständiger Kommissar wird. Als Vorarlberger kennen wir ihn gut und er hat gute Beziehungen zu Liechtenstein. Die neue zuständige Kommissarin für Finanzdienstleistungen hat allerdings ebenfalls im Hearing des EU-Parlaments einen guten Eindruck gemacht und setzt unseres Erachtens die richtigen Prioritäten.