Wirtschaftsprüfer: Bindeglied zwischen Innovation und Stabilität
Die Wirtschaftsprüfung muss bei ihrer Tätigkeit stets auch die Innovation der geprüften Produkte und Prozesse berücksichtigen und bewegt sich damit zwischen Stabilität und Innovation.
Wenn wir von Innovation auf dem Finanzplatz sprechen, denken wir beispielsweise an Fintech-Unternehmen, neue nachhaltige Produkte, digitale Prozesse und neue Technologien. Die Wirtschaftsprüfer/-innen werden nicht zwangsläufig mit Innovation in Verbindung gebracht.
Dabei geht vergessen, dass die Wirtschaftsprüfer/-innen von Berufs wegen verpflichtet sind, sich mit den Innovationen ihrer Kunden auseinanderzusetzen, um in der Lage zu sein angemessene Prüfsicherheit zu erhalten und eine effiziente Prüfung sicherzustellen. Innovativ zu sein und aktiv neue Arbeitsmodelle fördern, neue Arbeitsmethoden entwickeln, ohne dabei die Grundwerte zu vernachlässigen, ist ein Balanceakt, mit dem sich die Branche konfrontiert sieht.
Steigender Innovationsdruck
Die Jahresrechnung eines Unternehmens zu prüfen, bleibt weiterhin eine Kernaufgabe des Wirtschaftsprüfers, der Wirtschaftsprüferin. Jedoch hat sich das Aufgabengebiet in den letzten Jahren deutlich erweitert und beschränkt sich nicht auf Prüfungen von finanziellen Informationen. Die Prüfung von nicht finanziellen Informationen, wie z.B. aufsichtsrechtliche Prüfungen und Sorgfaltspflichtsprüfungen, gewinnt an Bedeutung. Nachhaltigkeit und ESG (Environmental Social Governance) als Kernthemen der neuesten Welle der Finanzmarktregulierung werden das Aufgabengebiet weiter bereichern
Wirtschaftsprüfung bleibt People’s Business
Neben einer Erweiterung des Aufgabenbereichs haben sich auch die Arbeitsmethoden und die Arbeitsmodelle in der Wirtschaftsprüfung verändert. Die Corona-Pandemie hat diesen Wandel beschleunigt und die Prüfung weiter digitalisiert. Die Präsenzzeit vor Ort bei den Kunden hat sich reduziert, währenddessen gehören Homeoffice und Sitzungen via Videokonferenz zum Berufsalltag. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass neue Formen des Austauschs gefunden werden, welche die persönliche Interaktion mit den Kunden und innerhalb des Wirtschaftsprüfungsunternehmens sicherstellen. Die Wirtschaftsprüfung bleibt ein People’s Business. Teamarbeit und die laufende Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden sind unerlässlich, um qualitativ hochstehende Dienstleistungen anzubieten.
Agilität als Erfolgsfaktor
Die Erkenntnis, dass heutiges Wissen womöglich morgen schon veraltet sein kann, ist nicht neu und betrifft auch die Wirtschaftsprüfung. Das erworbene Wissen und die Erfahrung für die Prüfung einer Jahresrechnung ist für die Prüfung von ESG-Vorgaben, wie z.B. Offenlegungspflichten, nur von geringem Nutzen. Einerseits kann diese Wissenslücke durch Spezialisierung geschlossen werden. Andererseits ist die Agilität der Wirtschaftsprüfer/-innen gefordert, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und Dienstleistungen in einer hohen Qualität zu erbringen.
Das Ziel nicht aus den Augen verlieren
Innovation und Veränderung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grundwerte für die Wirtschaftsprüfer/-innen zentral bleiben. Ein hoher Qualitätsanspruch, die Unabhängigkeit und die kritische Grundhaltung sind unerlässliche Werte einer jeden Prüfungsdienstleistung. Die Wirtschaftsprüfung wird sich, wie bereits in der Vergangenheit, mit neuen Geschäftsmodellen und Technologien auseinandersetzen und ihre Dienstleistungen den geänderten Rahmenbedingungen und Bedürfnissen anpassen. Dabei darf die Branche das übergeordnete Ziel – mit ihren Dienstleistungen zu einem stabilen und nachhaltigen Finanzplatz beizutragen – nicht aus den Augen verlieren.
Matthias Eggenberger, Vorstandsmitglied Liechtensteinische Wirtschaftsprüfer-Vereinigung