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Fürstentum Liechtenstein: Ein Standort, viele Vorteile

Fredy Wolfinger, Präsident des Vereins unabhängiger Vermögensverwalter in Liechtenstein, im Interview mit finews.ch.

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Grenzüberschreitende Dienstleistungsfreiheit und ein damit verbundener Zugang sowohl zur EU als auch zur Schweiz zeichnen den Finanzplatz Liechtenstein aus.

finews: Herr Wolfinger, Sie sind Präsident des Vereins unabhängiger Vermögensverwalter (VuVL) in Liechtenstein – wie würden Sie den Verein kurz und knapp beschreiben?

Fredy Wolfinger: Der VuVL ist die Interessensgemeinschaft für liechtensteinische Vermögensverwaltungsgesellschaften. Der Verein setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Anliegen des gesamten Berufsstandes ein. Derzeit sind in Liechtenstein 106 Vermögensverwaltungsgesellschaften konzessioniert (wovon aktuell 92 als Aktivmitglieder im VuVL registriert sind), die insgesamt rund 670 Mitarbeitende beschäftigen und knapp 10‘000 Kunden betreuen. Das verwaltete Kundenvermögen der Gesellschaften beträgt insgesamt circa 50 Milliarden Schweizer Franken, etwas mehr als die Hälfte davon ist bei liechtensteinischen Banken angelegt.

finews: Was sind die Kernaufgaben des VuVL?

Fredy Wolfinger: In erster Linie geht es darum, die Interessen unserer Mitglieder gegenüber der Politik, den Behörden sowie den Wirtschaftsverbänden zu vertreten. Wir organisieren Events für den Informationsaustausch sowie zu Schulungszwecken und wir unterstützen unsere Mitglieder im Hinblick auf berufliche oder rechtliche Fragestellungen. Zudem liegt uns das Engagement für eine qualitativ hochwertige, branchenspezifische Aus- und Weiterbildung unserer Mitglieder am Herzen. Unser zentrales Ziel ist die Wahrung und Förderung des Ansehens der unabhängigen Vermögensverwalter in Liechtenstein im In- und im Ausland.

finews: Was genau machen unabhängige Vermögensverwalter?

Fredy Wolfinger: Zu unserem Kerngeschäft gehören die Portfolioverwaltung, die Anlageberatung, Wertpapier- und Finanzanalyse und die Ausführung von Aufträgen im Namen des Kunden. Es ist uns nicht erlaubt, Vermögenswerte unserer Kunden zu halten. Der grosse Vorteil eines unabhängigen Vermögensverwalters liegt darin, dass er nicht an eine bestimmte Depotbank und deren Produkte gebunden ist. Das Bankkonto und -depot lautet dementsprechend auf den Namen des Kunden und liegt, je nach dessen Bedürfnissen inklusive der Berücksichtigung des Faktors Kosten, auf der Bank seiner Wahl. Der Vermögensverwalter erhält über eine beschränkte Vollmacht Zugang, um seine Dienstleistungen zu erbringen. Voraussetzung dafür ist eine Bewilligung der Finanzmarktaufsicht Liechtensteins. Knapp 90 Prozent der liechtensteinischen Vermögensverwalter verfügen zudem über eine sogenannte Notifikation, um grenzüberschreitende Dienstleistungen in gewissen EU-Staaten erbringen zu dürfen.

finews: Warum sollte ich mit meinem Vermögen ausgerechnet zu einem Vermögensverwalter am Standort Liechtenstein kommen?

Fredy Wolfinger: Die Gründe dafür sind vielfältig. Auf der Angebotsseite ist der Finanzplatz Liechtenstein mit seiner grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit und dem Zugang zu den Wirtschaftsräumen der EU respektive  dem EWR sowie der Schweiz sehr interessant. Dies ermöglicht eine geografisch diversifizierte Vermögensverwaltung. Die liberalen Rahmenbedingungen des Finanzplatzes Liechtenstein, die wirtschaftliche und politische Kontinuität und Stabilität und das hohe Mass an Privatsphäre und Rechtssicherheit machen den Standort für anspruchsvolle Anleger äusserst attraktiv. Liechtenstein wurde von Standard & Poor’s wiederholt mit der Bestnote «Triple-A mit stabilem Ausblick» ausgezeichnet und belegt im Ranking der nachhaltigsten und innovativsten Länder der Welt seit Jahren Spitzenplätze. Auf der persönlichen Seite kommen Liechtenstein die Unabhängigkeit und die Kundennähe, welche in unserer DNA tief verwurzelt ist, zugute. Die Kleinheit des Landes lässt zudem eine gewisse Nähe und kurze Entscheidungswege zu, was zu mehr Flexibilität führt. Das Fürstentum Liechtenstein ist als «sicherer Hafen im Herzen Europas» prädestiniert für die Vermögensverwaltung.

finews: Wie hat sich die Covid-19-Pandemie auf die Branche ausgewirkt?

Fredy Wolfinger: Das Jahr 2020 war stark von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie geprägt. Die im Frühjahr 2020 weltweit ergriffenen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie führten zu erheblichen Einbrüchen der Wirtschaft. Unsicherheiten und Ängste wegen Corona und die damit verbundene, extrem erhöhte Verschuldung der Staaten, Unternehmen sowie Privathaushalte bringen zusätzliches Unsicherheitspotential in unsere Branche. Wir haben im Jahr 2020 aufgrund des negativen ersten Quartals an den globalen Finanzmärkten eine Vorstellung erhalten, wie sich negative Marktentwicklungen einschneidend auf das gesamte verwaltete Vermögen und folgerichtig die Einnahmen auswirken können. Es kommen neue, massive Herausforderungen für die kommenden Jahre auf die gesamte Finanzwelt zu. Als Beispiel aus dem Alltag spüren wir Vermögensverwalter einen erhöhten Kommunikationsbedarf bei unseren Kunden. Doch auch die IT- und Cyber-Security inklusive der Homeoffice-Thematik beschäftigt uns seit der Pandemie umso mehr. Aufgrund der genannten Variablen ist es in der Branche der Vermögensverwaltungsgesellschaften derzeit nur bedingt möglich, eine verlässliche Prognose für die kommenden Jahre abzugeben.

finews: Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die grössten Herausforderungen für Ihre Branche?

Fredy Wolfinger: Nebst den eben erwähnten neuen Herausforderungen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie sind es mit Sicherheit die vielen einschneidenden Gesetzesänderungen und Regulatorien. Die Rede ist von der 4. und 5. EU-Geldwäscherei-Richtlinie, den Anpassungen im Sorgfaltspflicht-Gesetz, den zu erwartenden ESG-Vorgaben, DSGVO, MiFID II, aber auch FIDLEG/FINIG, um einige davon zu nennen. Allein die in MiFID II geforderte, volle Kostentransparenz der Vermögensverwalter gegenüber den Kunden, gepaart mit einem kompletten Retrozessionsverbot, umfangreichen Reportingpflichten und den erhöhten Anforderungen und Wünsche der Kunden, stellen die Vermögensverwalter in Liechtenstein auch in den nächsten Jahren vor massive Anstrengungen in organisatorischen und administrativen Belangen. Vor allem für die vielen kleinen Vermögensverwalter in Liechtenstein dürfte es in absehbarer Zukunft immer schwieriger werden, die stetig steigenden personellen, fachlichen wie auch finanziellen Anforderungen zu stemmen.

finews: Abschliessend ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die grössten Chancen?

Fredy Wolfinger: Der Finanzplatz Liechtenstein bietet uns mit seinen bereits erwähnten Vorzügen bestimmt auch in Zukunft gute Chancen, sich in unserer Branche hervorzuheben. Ich möchte nur an die liberalen, stabilen und sicheren Rahmenbedingungen in wirtschaftlicher, politischer sowie sozialer Hinsicht erinnern. Wir positionieren uns in Zeiten der Digitalisierung im Sinne von «Denken in Generationen» durch einen langfristigen, generationenübergreifenden und nachhaltigen Vermögenserhalt. Auch in der Vermögensverwaltung werden fortlaufend neue Technologien und Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung in der Umsetzung von Vorgaben eingesetzt. Entscheidend ist und bleibt für den unabhängigen Vermögensverwalter aus meiner Sicht aber der persönliche Kundenkontakt. Es geht um Menschen, um zwischenmenschliche Beziehungen und um Vertrauen. Von den eingangs erwähnten circa 10’000 Kunden aller Vermögensverwalter in Liechtenstein sind die Mehrheit Privatkunden. Was sie – gerade in so unsicheren Zeiten – schätzen, ist das Persönliche, die Kundennähe und die Flexibilität. All das können wir in Liechtenstein bieten.