Die Standortfrage ist eine Vertrauensfrage

Liechtenstein Finance e.V. hat gemeinsam mit F.A.Z. Business Media eine Studie durchgeführt mit dem Ziel, länderspezifische Erfolgsfaktoren für eine Stiftungsgründung herauszuarbeiten. Befragt wurden Stiftungen aus Deutschland, Österreich und  der Schweiz. Im Interview spricht Thomas Zwiefelhofer, Präsident der Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts (VLGST), mit Petra Gessner, der Chefredakteurin vom Magazin «DIE STIFTUNG» über die gewonnenen Erkenntnisse.


Die Umfrage unter Stiftern und Stiftungsentscheidern im Ländervergleich hat als ein Ergebnis ergeben, dass die wirtschaftliche, politische und rechtliche Stabilität die wichtigsten Faktoren für eine Stiftungsgründung sind. Allerdings stufen die  privatnützigen Stiftungen die Rechtssicherheit höher ein als die gemeinnützigen. Welche Erklärung könnte es dafür geben?

Thomas Zwiefelhofer: Ich gehe davon aus, dass es  hierbei vor allem um die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen geht, von welchen privatnützige Stiftungen und ihre Destinatäre viel stärker betroffen sind als gemeinnützige Stiftungen, welche in der Regel steuerbefreit sind. Es verwundert daher nicht, dass Stiftungsbeteiligte von privatnützigen Stiftungen viel sensibler auf fortlaufende Änderungen an den rechtlichen Rahmenbedingungen reagieren, da sie stärker betroffen sind.

Nur 37 Prozent der Befragten aus deutschen Stiftungen sagen aber, dass die Besteuerung der Stiftungen und der Ausschüttungen einen Einfluss auf die Wahl des Stiftungsstandortes haben. Das überrascht angesichts der verbreiteten Ansicht, mit einer Stiftungsgründung möchte man vor allem Steuern sparen.
Zwiefelhofer: Das müssen wir sicherlich differenzierter betrachten. Zunächst einmal kann man sagen, dass im Fall von Unternehmern, die zum Beispiel eine Familienstiftung gründen, der steuerliche Antrieb eher gering ist. Oft geht es vielmehr darum, das Unternehmen und das Vermögen vor Zugriffen durch Familienmitglieder oder auch vor der Gefahr von Familienstreit zu schützen. Auch Haftungsrisiken spielen eine Rolle. Das Vermögen und somit auch die Kontrolle über das Vermögen an eine Stiftung abzugeben – das ist ein sehr grosser Schritt und daher überwiegen meist strategische Überlegungen und nicht so sehr steuerliche Überlegungen. Wenn aber einmal die Entscheidung zur Stiftungsgründung gefallen ist, möchte man natürlich steuerrechtlich optimal gestalten. Dann spielen die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen eine Rolle bei der Wahl des Standortes. Und natürlich die Expertise der Berater, also Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte.

Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) hat geantwortet, dass nachhaltiges Handeln für Stiftungen immer wichtiger wird. Dabei fallen die Unterschiede in den Ländern auf. Für die Schweizer scheint Nachhaltigkeit wichtiger zu sein (73 Prozent) als für die Deutschen (63 Prozent) und die Österreicher (21 Prozent). Wie könnte eine Erklärung hierfür lauten?
Zwiefelhofer: Der geringe Wert in Österreich ist durch die Besonderheiten im österreichischen Stiftungsrecht zu erklären. Es gibt mit etwas mehr als 3.000 Privatstiftungen viel mehr privat- als gemeinnützige Stiftungen. Im privatnützigen Bereich spielt Nachhaltigkeit eben in der Regel eine weniger grosse Rolle. Grundsätzlich sollte beim Thema Nachhaltigkeit genauer hingeschaut und differenziert werden. Dass gemeinnützige Stiftungen nachhaltig handeln, gibt oft der Stiftungszweck und somit die Satzung schon vor. Eine besondere und durchaus kontrovers diskutierte Rolle spielt die Nachhaltigkeit in der Anlagestrategie von Stiftungen. Hier werden die finanzielle, soziale und ökologische Rendite durchaus verglichen, und es herrscht nicht selten Uneinigkeit darüber, welcher Aspekt in der Gesamtanlage nun stärker gewichtet werden soll: finanzielle Rendite oder Nachhaltigkeit? Alle sind sich natürlich einig, dass Nachhaltigkeit wichtig ist, aber wenn es ans Eingemachte – sprich die erwartbaren Renditen – geht, sieht es mit der Einigkeit im Kreis der Vermögensinhaber und -verantwortlichen halt oft doch anders aus.

Gut die Hälfte der Befragten sagt, dass die Instrumente zum Schutz des Stifterwillens der wichtigste rechtliche Aspekt bei der Auswahl des Standorts sind. Die Instrumente unterscheiden sich zum Teil deutlich in den einzelnen Ländern.
Zwiefelhofer: In Deutschland können Stifterinnen und Stifter Satzungs-, Zweck- und Grundlagenänderungen nur im Einklang mit dem Stifterwillen und nur mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörden vornehmen. Das Schweizer Stiftungsrecht erlaubt eine Zweckänderung, sofern die Stiftungsurkunde einen entsprechenden Vorbehalt enthält. Das ist mittlerweile aber nur alle zehn Jahre möglich, also auch erst zehn Jahre nach Errichtung der Stiftung, denn die Schweiz möchte eine gewisse Kontinuität sicherstellen. In Österreich und in Liechtenstein gibt es mehr Freiheiten. Stifterinnen und Stifter können sich das Recht vorbehalten, die Stiftungsurkunde ohne Einschränkungen zu verändern oder die Stiftung zu widerrufen. Allerdings: Solche umfassenden Änderungs- oder Widerrufsrechte, wenn sie genutzt werden, können Zweifel an der dauerhaften Vermögenstrennung auslösen und als Kontrolle eingestuft werden. Das kann steuerrechtlich negative Folgen haben. Viel Freiheit bedeutet deshalb auch ein großes Fehlerpotential, der Beratungsbedarf ist somit auch höher. Freiheit und gute Governance sind in der Kombination unerlässlich und ein ernstzunehmender Erfolgsfaktor.

Vor dem Hintergrund der vielen länderspezifischen Unterschiede verwundert es, dass nur 22 Prozent der Befragten einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg einer Stiftungsgründung und dem Standort sehen.
Zwiefelhofer: Das verwundert in der Tat. Genauso wenig lässt sich auf den ersten Blick erklären, dass die Nähe zum Wohn- und Unternehmenssitz für 55 Prozent der Befragten als das wichtigste Kriterium bei der Standortwahl oben ausgeschwungen hat. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass eine Stiftungsgründung und somit eine Trennung vom Vermögen ein meist unumkehrbarer und immer sehr grosser Schritt ist. Möglicherweise kommen hier Emotionen ins Spiel, weil eine räumliche Nähe Stiftern das Gefühl gibt, zumindest noch physisch am Ort des Geschehens dabei zu sein und mitgestalten zu können. Die Heimatregion ist die, wo man sich wohl fühlt und wo man sich auskennt. Daher ist die Standortfrage auch immer eine Vertrauensfrage, das zeigt die Nennung der Aspekte «persönlicher Kontakt» und «Vertrauen in den Standort» als weitere Erfolgsfaktoren für die Stiftungsgründung. Im Fall von Unternehmensbeteiligungsstiftungen ist das Argument der räumlichen Nähe zum Unternehmen schon nachvollziehbar. Bei der Wahl einer privatnützigen Stiftung im Ausland wird das Problem der fehlenden Nähe aber oft durch die Involvierung lokaler Berater abgemildert, die den ausländischen Stiftungsrat fortlaufend begleiten. Und bei einer gemeinnützigen Stiftung, die auch im Ausland aktiv sein soll, sollte man gut überlegen, ob die Standortwahl nicht konsequent nach stiftungsrechtlichen Faktoren sinnvoll ist. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Umfrageergebnisse neben Trends auch Widersprüche und Ambivalenzen aufzeigen. Wer angibt, dass Stabilität, Rechtssicherheit und Stifterrechte entscheidend für den Erfolg einer Stiftung sind, setzt sich idealerweise mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Standorte auseinander und lässt emotionale Aspekte eher aussen vor.

Dr. Thomas Zwiefelhofer, Präsident der Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts (VLGST)

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