Die Jobprofile werden sich massgeblich verändern
Interview vom 29. Oktober 2020 von Holger Franke mit Simon Tribelhorn im Liechtensteiner Volksblatt.
Es ist die Zeit der grossen Veränderungen, wie Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes, verdeutlicht.
Volksblatt: Herr Tribelhorn, das Jahr ist geprägt von der COVID-19-Pandemie, die uns alle vor grosse Herausforderungen gestellt hat. Herausforderungen, die uns völlig unvorbereitet von einen Tag auf den anderen Tag getroffen haben. Wie würden Sie rückblickend beschreiben, wie der Bankenplatz mit dieser Situation umgegangen ist – wie ist derzeit die allgemeine Lage?
Simon Tribelhorn: Die Pandemie war und ist natürlich zuerst eine grosse gesundheitliche und gesellschaftliche Herausforderung. Der damit verbundene Lockdown im Frühjahr hat aber bekanntlich die Realwirtschaft ebenfalls heftig getroffen. Auch wenn sich grosse Teile davon relativ rasch wieder erholt haben, ist zurzeit nebst der gesundheitlichen Situation auch die wirtschaftliche alles andere als gelöst. Die Banken haben sehr rasch reagiert, ihre wichtige Rolle als Intermediär wahrgenommen und so die Wirtschaft unbürokratisch mit Liquidität versorgt. Dank der resilienten, auf Langfristigkeit ausgerichteten Geschäftsmodelle konnten sie bis anhin die wirtschaftliche Krise erstaunlich gut meistern. Grosse Unsicherheitsfaktoren sind mögliche wirtschaftliche Zweitrundeneffekte oder eine starke zweite Corona-Welle. All dies stimmt uns zurzeit etwas vorsichtig. Damit der Betrieb auch im Lockdown aufrechterhalten werden konnte, musste quasi über Nacht auf Home-Office umgestellt werden. Das hat dank der fortschreitenden Digitalisierung der Abläufe und der Infrastruktur sehr gut funktioniert. Nach den Sommerferien holten einzelne Unternehmen ihr Personal wieder vollständig ins Büro zurück. Doch diese Situation war angesichts der steigenden Fallzahlen von kurzer Dauer. Unsere Mitglieder wappnen sich für eine mögliche zweite Welle und haben bereits oder sind gerade daran, ihr Corona-Massnahmen wieder zu verschärfen. Speziell gefreut hat mich unsere Aktion «Freude schenken». Gemeinsam mit dem Amt für Soziale Dienste konnten wir auf diesem Weg vielen Familien Danke sagen für ihre grossen Opfer während des Lockdowns mit einem grossen Angebot von Ferienprojekten für ihre Kinder.
Volksblatt: Wenn wir vom Bankenplatz reden, müssen wir vielleicht dabei auch etwas unterscheiden: Lässt sich aus ihrem Blickwinkel zwischen den grösseren und kleineren Banken unterscheiden, wie mit der Krise umgegangen wurde?
Simon Tribelhorn: Festhalten kann man, dass alle Banken in Liechtenstein mit der Pandemie sehr professionell umgehen. Bei allen Instituten arbeiten sehr viele Mitarbeitenden aus dem Ausland, die jeden Tag ins Land pendeln. Mit Corona hat sich die Art und Weise, wie und vor allem wo wir arbeiten, erheblich verändert. Mittel- bis längerfristig werden weder Mitarbeitende noch Arbeitgeber ganz auf die Vorteile von Homeoffice verzichten wollen und können. Aus diesem Grund dürften nach der Corona-Zeit hybride Formen oder das «Flexible Office» dominieren. Allerdings braucht es hierfür auch die entsprechenden Rahmenbedingungen. Bis heute gilt als Faustregel, dass jemand dort sozialversicherungsrechtlich unterstellt ist, wo er 75% oder mehr seiner Arbeitszeit verbringt. Diese Regelung muss zwangsläufig angepasst werden. Aber auch die Unternehmen sind gefordert, den Mitarbeitenden individuelle, auf ihre Arbeit und Zielsetzungen angepasste Angebote zu bieten, die sowohl attraktive Arbeitsplätze schaffen als auch den Unternehmenserfolg sicherstellen. Letzteres ist natürlich für alle Banken eine Herausforderung. Allerdings ist dies zusammen mit den ständig zunehmenden, regulatorischen Vorgaben und den wechselhaften Marktbedingungen, für eine kleinere Banken noch etwas anspruchsvoller. Entscheidend ist für mich jedoch nicht die Grösse per se. Dies belegt alleine schon der internationale Erfolg unserer grossen Banken, die weltweit zu den kleineren Instituten gehören. Natürlich spielt gerade in Kostenfragen ein skalierbares Geschäftsmodell eine wichtige Rolle. Viel wichtiger für den langfristigen Erfolg erachte ich aber eine klare, weitsichtige Strategie mit einem klaren Fokus in Bezug auf die Kunden und die Märkte sowie ein striktes Risikomanagement.
Volksblatt: Das erste Halbjahr war für die grossen Banken unter dem Strich durchaus positiv. Auffällig waren dabei auch die recht hohen Netto-Neugeld-Zuflüsse. Die Banken als Gewinner der Krise zu bezeichnen wäre vielleicht etwas unsensibel. Aber es scheint, dass die Sicherheit des Landes im Ausland nun noch stärker gesucht wird. Welche Gründe sprechen neben dem AAA-Rating ausserdem für die Robustheit des Bankenplatzes – insbesondere in Krisenzeiten?
Simon Tribelhorn: Die im internationalen Vergleich hohe Stabilität und die bereits erwähnte langfristige Ausrichtung des gesamten Finanzplatzes sowie das gelebte «Denken in Generation» sind wesentliche Faktoren für den Erfolg. Ganz wichtig ist natürlich auch der uneingeschränkte EU-Marktzugang, der gerade für das exportorientierte, kleine Liechtenstein essenziell ist. Doch nicht bloss das Land ist stabil. Auch die Banken haben dank der hohen Kernkapitalquote von fast 20%, einem risikoarmen Geschäftsmodell und hoher Innovationskraft einen wesentlichen Anteil an der Robustheit des Platzes und des gesamten Landes und damit auch an dessen Erfolg. Zusätzlich nennen möchte ich auch die klare und frühzeitige Ausrichtung der Banken auf die beiden immer wichtiger werdenden Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit und die kurzen Wege zwischen Banken und Behörden bzw. Regierung. Last but not least sind wir international breit aufgestellt und sehr gut vernetzt.
Volksblatt: Seit Jahren wird über eine mögliche Konsolidierung am Bankenplatz gesprochen. Nun hatte in diesem Jahr die ein oder andere Bank Schwierigkeiten – ist das das fast schon erwartete Anzeichen dieser Konsolidierung? Wagen Sie eine Prognose, ob am Bankenplatz Liechtenstein mittelfristig mehr oder weniger Banken tätig sein werden?
Simon Tribelhorn: Die durchaus vorhandenen Schwierigkeiten einzelner Banken haben weniger mit dem vorhanden Konsolidierungsdruck zu tun als viel mehr ganz unternehmensspezifische Gründe. All das könnte aber durchaus dazu führen, dass wir in Zukunft weniger Banken haben werden. Grundsätzlich gehen wir gemäss einer internen Umfrage davon aus, dass es mittel- bis langfristig weniger klassische Banken geben dürfte. Allerdings ist die Anzahl Banken nicht die Kenngrösse, die für uns am wichtigsten ist. Qualität kommt vor Quantität. Wichtiger sind die Anzahl Mitarbeitende, die Höhe der verwalteten Vermögen oder der Erträge. Und hier hat die erwähnte Umfrage gezeigt, dass die Banken bei allen drei Kenngrössen durchwegs optimistisch sind. Die anstehende Konsolidierung ist aber ein weltweites Phänomen. Die zunehmende Digitalisierung und das damit einhergehende Aufbrechen der Wertschöpfungsketten bringt diverse Herausforderungen für die Finanzindustrie als Ganzes: neue Anbieter (Stichwort Fintech), neue Allianzen oder industrieübergreifende Kooperationen sowie die Veränderung des Bankings als solches durch datengetriebene Anbieter (Stichwort GAFAs oder FAANG). Entscheidend, ob eine Bank auch in Zukunft im Wettbewerb bestehen kann, wird das Geschäftsmodell sein und die Fähigkeit, dieses weiterzuentwickeln. Die erwähnten Herausforderungen benötigen Investitionen, insbesondere im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Damit einher geht der Auf- bzw. Ausbau der entsprechenden Kompetenzen. Die Jobprofile werden sich massgeblich verändern; dementsprechend müssen die Mitarbeitenden auf diese Reise mitgenommen werden. Vom Management ist also Mut, Weitsicht und vor allem Leadership gefragt.
Volksblatt: International ist der Wandel bei den Finanzdienstleistungen bereits in vollem Gange. Das Thema Digitalisierung ist in aller Munde. Was heisst das nun für den Bankenplatz Liechtenstein, sagen wir in 5 oder 10 Jahren: Stehen wir nicht gerade an einem Punkt, an dem zukunftsweisende Schritte dringend unternommen werden müssten?
Simon Tribelhorn: Liechtenstein und seine Banken haben diesen Trend frühzeitig erkannt und schon viele richtige Schritte gemacht. Zweit Stichworte sollen hier genügen: zukunftsweisendes Blockchain-Gesetz für die Token-Ökonomie sowie ein genereller breiter Digitalisierungsschub bei den Banken. Nun gilt es diesen «Drive» mitzunehmen und sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen. Bei der Digitalisierung darf etwas nicht vergessen gehen: am Ende entscheidet immer der Kunde, wie er mit der Bank in Kontakt treten und bedient werden will. Daher müssen Banken sowohl digitale als auch weiterhin analoge (sprich persönliche) Kanäle zur Verfügung stellen. Grundsätzlich sind wir überzeugt, dass das dominierende Vermögensverwaltungsgeschäft am Frontend zu einem grossen Teil ein Peoples’ Business bleiben wird, auch wenn z.B. smart data oder künstliche Intelligenz auch hier Einzug nehmen werden. Am Backend, also in der Verarbeitung, steht aber ausser Frage, dass durch die Digitalisierung die Prozesse automatisiert und der Mensch zu einem wesentlichen Teil entlastet wird.
Volksblatt: Die Digitalisierung verändert das klassische Banking stark, viele diese Veränderungen zeichnen sich bereits deutlich ab. Was glauben Sie, wie die Kerndienstleistungen der Banken in einigen Jahren aussehen werden?
Simon Tribelhorn: Wir gehen davon aus, dass die internationale Vermögensverwaltung auch in Zukunft die wichtigste Dienstleistung der Banken in Liechtenstein sein wird. Wie beschrieben sind die Banken dazu sowohl strategisch als auch operativ in der Lage, ein wichtiger Player zu bleiben. Banking wird sich aber weiter verändern. Die Digitalisierung führt zu mehr Konkurrenz und grösstmöglicher Transparenz. Und zwar nicht bloss gegenüber den Behörden, sondern auch gegenüber den Mitbewerbern und Kunden. Der Wandel vom Anbieter zum Nachfrager-Markt beschleunigt sich. Die Kunden bestimmen, welche Produkte und Dienstleistungen sie wie und wo nachfragen. Schon lange redet man vom Aufbrechen oder der Entkoppelung der Wertschöpfungsketten. Das dürfte in den nächsten Jahren nun passieren. Mit Open Banking ist ein grosser Schritt in dieser Richtung bereits gemacht. Das heisst, es werden noch vermehrt Anbieter aus dem Nichtbankenbereich Zahlungsdienste anbieten und dies zum Teil auch einfacher, effizienter und vor allem billiger tun können, als dies bisher der Fall war. Speziell für die grossen Universalbanken insbesondere in Europa und der Schweiz wird dies eine grosse Herausforderung darstellen. Für Liechtensteins Banken mit ihrem Fokus auf die Vermögensverwaltung ist diese Entwicklung sicher einfacher zu meistern als für Retailbanken, wo Masse und Kosten entscheidend sind. Für unsere Banken wird es darum gehen, auch in Zukunft über die Kundenschnittstelle zu verfügen bzw. diese behalten zu können.
Volksblatt: Dieser Wandel könnte auch dazu führen, dass sich einzelne Marktteilnehmer spezialisieren und einzelne Dienstleistungen aus dem früheren Kerngeschäft der Banken anbieten – und das womöglich sogar effizienter. Sprich, der Druck auf das klassische Bankgeschäft wird weiter steigen. Was hat der Bankenplatz dem entgegenzusetzen?
Simon Tribelhorn: Wie gesagt: die Konzentration auf das Vermögensverwaltungsgeschäft ist hier sicher ein Vorteil, da dieses Geschäft auf Vertrauen und persönlichen Kontakten aufbaut und somit ungleich schwerer disruptierbar ist als das Retailgeschäft. Ferner ist in einer Welt, wo überall Daten verlangt und ausgetauscht werden, die Datensicherheit bei deren gleichzeitiger sinnvoller Nutzung ganz entscheidend für den Erfolg.
Volksblatt: Das wiederum wirft die fast unvermeidliche Frage nach dem klassischen Bankberater auf: Hat der in absehbarer Zeit tatsächlich ausgedient?
Simon Tribelhorn: Nein, das denke ich nicht. In Zukunft wird es aber noch stärker eine hybride Beratungsform geben – je nach Kundenbedürfnissen. Eine klassische Segmentierung der Kunden nach Höhe der Assets dürfte weniger wichtig werden. In Zukunft steht die Frage im Mittelpunkt, was für den Kunden Mehrwert bietet und wie dieser erzielt werden kann. Bestimmte Kunden möchten vor allem effiziente, digitale und kostengünstige Lösungen erhalten. Andere wiederum verlangen massgeschneiderte Lösungen und sind somit auch bereit, dafür zu bezahlen. Dies dürfte zu einer Anpassung der Gebührenmodelle führen.
Volksblatt: Sie zeichnen hier nun ein Bild über eine mögliche Zukunft. Aber kann Liechtenstein all dies tatsächlich schaffen? Am Bankenplatz wird vielfach an den vielen alten, traditionellen Werten festgehalten – die zweifelsohne auch gut sind. Aber besteht vonseiten der Entscheidungsträger auch der notwendige Mut, jetzt die nötigen Schritte für die Zukunft des Bankenplatzes in die Wege zu leiten?
Simon Tribelhorn: Wir befinden uns mitten im Prozess der Erarbeitung der Roadmap 2025, also der angepassten Strategie für den Bankenplatz für die nächsten fünf Jahre. Es ist die dritte Roadmap, was unterstreicht, dass der Bankenplatz im Rahmen eines strukturierten Prozesses periodisch die bestehende Stossrichtung analysiert und falls nötig adjustiert. Bereits jetzt kann gesagt werden, dass bereits bestehende Strategiepfeiler Innovation und Nachhaltigkeit ihre Gültigkeit behalten werden. Sie müssen aber noch entschiedener und konsequenter gelebt werden. Entwicklungen in diese Richtung müssen ganz klar vorangetrieben werden. Betrachte ich die lange, erfolgreiche Vergangenheit unserer Banken, dann bin ich überzeugt, dass wir auch das erfolgreich meistern werden.
Volksblatt: Am Finance Forum sagte der frühere deutsche Vizekanzler Joschka Fischer sinngemäss, dass in Europa das Know-How, die Technologie und das Kapital vorhanden seien, aber die aus all dem resultierenden Firmen dann ausserhalb Europas anzufinden sind. Ist das nicht auch eine vergleichbare Situation am heimischen Bankenplatz? Die Grundvoraussetzungen sind sehr gut – aber der Finanzplatz spielt nicht in der gleichen Liga, wie andere grosse Finanzplätze. Was fehlt da noch auf dem weiten Weg nach oben?
Simon Tribelhorn: Joschka Fischer hat in Bezug auf Europa oder die EU sicher recht. Auch mir fehlt manchmal der Glaube, ob Europa schnell genug von der Definition von Problemen in die Umsetzung kommt. Es wird z.B. viel über Digitalisierungsstrategie oder Digitalpakt geredet. Aber inhaltlich kommt wenig, ausser Regulierung oder Besteuerung. So entsteht weder Wertschöpfung noch Innovation. Es wird zu sehen sein, ob die kürzlich auf EU-Ebene publizierte «Digitale Agenda» den erhofften Innovationsschub bringt. Liechtenstein hat es mit dem Blockchain-Gesetz besser gemacht. Eine zukunftsweisende Regulierung war dabei das Ziel und nicht Strukturerhaltung. Mit dem Nachhaltigkeitspaket hat Europa eine Vorreiterrolle übernommen. Allerdings legen andere Staaten oder Regionen allen voran Asien, ein enormes Tempo vor. Liechtenstein hat auch in diesem Bereich aktuell noch eine gute Ausgangslage. Und dies, obwohl die Klimafrage schon in aller Munde ist. Denn derzeit versteht noch kein anderer Finanzplatz Nachhaltigkeit so umfassend wie wir dies tun. Darüber hinaus können wir uns allein schon aufgrund unserer vergleichsweise naturbelassenen Umwelt in einer doch glücklichen und privilegierten Situation schätzen. Fakt ist aber auch, dass Liechtenstein ein kleiner Finanzplatz ist und wir aufpassen müssen, den Zug im Nachhaltigkeitsthema nicht zu verpassen. Es wird sicher niemand auf uns warten. Dafür können wir mit hoher Agilität sowie Innovations- und Umsetzungskraft glänzen.
Volksblatt: Wenn man dies zu Ende denkt, kommt man zu dem Schluss, dass ein paar grosse Namen dem Finanzplatz vielleicht guttun würden. Sicherlich – es sind heute schon andere Namen zu finden, als noch vor 10 oder 20 Jahren. Aber die «Big Player» finden sich hier weiterhin nicht. Was müsste dafür geschehen – sofern dies überhaupt erwünscht ist?
Simon Tribelhorn: Das würde uns sicher in mehrerlei Hinsicht helfen. Reputationsmässig würde es einerseits demonstrieren, dass Liechtenstein effektiv ein attraktiver Standort und die Go-to-Destination ist. Für einen Finanzplatz mit internationalem Anspruch ist die Präsenz von Auslandbanken nicht nur wichtig, sondern nötig. Ein grosser Name wäre damit die beste Werbung und Referenz für unseren Finanzplatz. Andererseits würde das den Wettbewerb weiter verschärfen, aber gleichzeitig auch beleben. Und schliesslich bringen ausländische Player auch Know-how und Diversität. Wenn es sich dabei um eine grössere internationale Bank handeln würde, würde sich damit allenfalls sogar die eminent wichtige Korrespondenzbankenfrage etwas entschärfen. Vor diesem Hintergrund wäre der Markteintritt eines «Big Player» – wie Sie es nennen – sehr begrüssenswert. Träumen darf man, aber das Problem dabei ist, dass alle internationalen Banken bereits einen Fussabdruck in Europa haben und der Heimmarkt Liechtenstein einfach viel zu klein ist.
Volksblatt: Bei den Diskussionen um die Reputation wird häufig nicht bedacht, welchen positiven Einfluss die hier ansässigen Institute auf das Ansehen Liechtensteins im Ausland haben. Wie würden Sie diesen Reputationseffekt beschreiben, den Banken erzielen, wenn Sie im Ausland erfolgreich sind: Ist das wirklich ein Effekt, der dem Land tatsächlich hilft?
Simon Tribelhorn: Absolut! Ein Beispiel dafür ist Asien. Ohne die seit vielen Jahren sehr erfolgreiche LGT würde dort wahrscheinlich kaum jemand von Liechtenstein Notiz nehmen. Doch nicht nur die Banken tragen zur Bekanntheit und einer hohen Reputation bei. Ich erinnere nur an die sehr erfolgreichen globalen Industrieunternehmen Hilti, Hoval, Ivoclar und all die anderen. Fairerweise muss aber auch konstatiert werden, dass das Gleiche in umgekehrter Richtung ebenso zutrifft wie die jüngsten negativen Schlagzeilen rund um einzelne Banken zeigen. Umso wichtiger ist es, dass wir zu unserer Reputation Sorge tragen.
Volksblatt: Würden Sie sagen, dass diese Rolle der heimischen Banken für Liechtensteins Reputation im Ausland oftmals unterschätzt wird? Der Erfolg im Ausland hat natürlich positive Effekte auf die heimische Volkswirtschaft. Erfolg im Ausland, gleich monetäre Vorteile im Land mittels wachsendem Arbeitsplatzangebot und entsprechenden Steuerleistungen. Stimmt diese Milchbüchleinrechnung so – oder besser befragt, wie lange wird sie so noch funktionieren?
Simon Tribelhorn: Ja, dem stimme ich zu. Natürlich ist es so, dass das Land selbst unmittelbar «nur» vom Neugeldzufluss oder Wachstum im Inland profitiert. Gesamthaft gesehen stärkt das internationale Geschäft aber auch die Heimbasis in Liechtenstein und trägt zu einer starken und international gut verankerten Marke bei, die wiederum ein wirkungsvoller Botschafter für das Land Liechtenstein ist. Somit stimmt ihre Rechnung, auch wenn man es nicht einfach quantifizieren kann.
Volksblatt: Standortkonformität, Digitalisierung und auch endlich verstärkt auch das Thema Nachhaltigkeit – das dürften die drängendsten Themen der nächsten Zeit sein. Ordnen Sie doch bitte einmal ein, wo sich Liechtenstein als Ganzes, auf dem Weg zum Ziel befindet und was Ihrer Ansicht nach nun dringend getan werden müsste.
Simon Tribelhorn: Wir werden nie ganz am Ziel ankommen. Vielmehr ist der Weg unser Ziel. Standortkonformität wird uns immer begleiten. Im Moment beschäftigt uns dies umso mehr, als das Moneyval Assessment bevorsteht. Das Abschneiden wird von ganz entscheidender Bedeutung sein, wird dieses doch die Reputation in den nächsten 5-6 Jahren im Ausland prägen. Ähnliches gilt im Bereich der Steuerkonformität, steht doch auch hier ein OECD-Assessment im nächsten Jahr an. Gutes Abschneiden ist aber nur die notwendige Voraussetzung. Geschäfte machen werden wir damit aber noch nicht. Im Bereich der Digitalisierung wird sich weisen, was die «Digitale Agenda» der EU effektiv zu Tage bringt. Mit dem Blockchain-Gesetz haben wir zwar wie erwähnt eine gute Ausgangslage geschaffen, allerdings ist es damit noch nicht getan. Wir müssen dieses Thema noch strategischer und gesamtheitlicher angehen. Ähnlich verhält es sich im Thema Nachhaltigkeit. Zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, den SDGs, bis 2030 braucht es eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft, NGOs, Verbänden und Wissenschaft. Ich bin der Ansicht, dass gerade in Liechtenstein ein sehr grosses Potenzial für eine solche partnerschaftliche Umsetzung vorhanden ist. Es müsste aber noch entschiedener genutzt werden.
Volksblatt: Und Cybersicherheit? Auf der Landkarte dürfte Liechtenstein derzeit zwar nicht überaus stark gefährdet sein. Wenn sich der Bankenplatz aber so entwickelt, wie Sie dies aufzeigen, wird der Standort Liechtenstein nicht umhinkommen, auch in diesem Punkt noch deutlich nachbessern zu müssen. Auch hier stellt sich die Frage, ob wir das tatsächlich schaffen können. Haben wir dafür tatsächlich die nötige Infrastruktur und die nötigen Fachkräfte?
Simon Tribelhorn: Das ist ein Thema, das uns schon länger beschäftigt und an Wichtigkeit noch enorm zunehmen wird, davon bin ich überzeugt. Wenn es um die Fachkräfte geht, macht der Verein Cyber Security Liechtenstein einen grossartigen Job. Hinter dem Verein steht eine Gruppe von IT Security Experten, die in verschiedenen Liechtensteiner Unternehmen arbeiten, darunter auch mehrere Bankenvertreter. Alle verfügen über langjährige Erfahrungen im IT-Security Bereich und geben ihr Know-how an junge Interessierte weiter und sind auch in Europa mit anderen Experten gut vernetzt. Aber auch wir haben auf Ebene des Bankenverbandes schon länger eine Expertengruppe eingesetzt, in welcher sich alle Banken regelmässig austauschen. Darüber hinaus sind wir recht gut vernetzt, sei dies über den Europäischen Bankenverband, ENISA oder Europol. Und auch die Zusammenarbeit mit der Landespolizei funktioniert sehr gut.
Volksblatt: Herr Tribelhorn, Ihre Einschätzungen erscheinen plausibel. Aber wo geht die Reise nun hin, über welchen Bankenplatz Liechtenstein werden wir in 10 Jahren dann reden? Wenn ich das symbolisch ausdrücken darf: Im Stile der Londoner City, des glitzernden Manhattans oder des verträumten Alpendörfleins, in dem die Zeit stillzustehen zu bleiben scheint?
Simon Tribelhorn: Ich glaube, es gibt eine vierte Variante. Liechtenstein muss weiter ein weltoffener, stabiler Bankenplatz mit hoher Reputation bleiben. Die qualitative Spitzenposition in der Vermögensverwaltung erhalten wir durch «Denken in Generationen», hoher Innovationskraft und einer führenden Rolle bei der Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit. Dabei ist nicht die Grösse entscheidend, sondern die Qualität der Lösungen und ein agiles, antizipierendes Agieren auf Veränderungen. Kurzum: innovatives, agiles und massgeschneidertes Banking für eine anspruchsvolle, internationale Kundschaft in überschaubaren Strukturen.